- Ausserordentliche Erholung
- Robustes Wachstum trotz Omikron
- Veränderung der Leitzinsen?
- Angesichts neuer Corona-Mutationen aus Grossbritannien und Indien verhängten Regierungen Anfang 2021 Lockdowns und Reiseverbote. In Europa waren die Massnahmen besonders restriktiv, und im Vergleich zu den USA oder Grossbritannien schritt die Impfkampagne im Euroraum nur schleppend voran. Dies führte zu einem erneuten Einbruch der EU-Wirtschaft im ersten Quartal 2021.
- Rasant steigende Impfraten in Industrieländern im zweiten Quartal 2021 ermöglichten Lockerungen der Corona-Restriktionen und läuteten einen Konjunkturboom gegen Mitte des Jahres ein. Gemäss dem globalen Einkaufsmanagerindex, ein vorlaufender Konjunkturindikator, war der Wirtschaftsaufschwung im Mai so stark wie zuletzt vor 15 Jahren. Dieser Boom spiegelte sich auch an den Aktienmärkten wider. Zum Halbjahr lag der MSCI Welt Index 13% im Plus.
- Mit dem starken Nachfrageanstieg der wirtschaftlichen Wiedereröffnung konnte das Angebot aber nicht mithalten. Die Produktionskapazitäten vieler Unternehmen waren in Folge der Pandemie stark eingeschränkt und wurden noch nicht wieder vollständig hochgefahren. So führten Engpässe auf der Angebotsseite zu steigenden Preisen.
- Die Zentralbanken beharrten lange darauf, dass der Inflationsanstieg als temporär einzustufen sei. Nicht alle Anleger teilten diese Meinung. Im Mai, September und November kam es daher zu erhöhter Unsicherheit und Turbulenz an den Finanzmärkten.
- Insgesamt war es aber ein sehr erfreuliches Jahr für Investoren, besonders Aktienanleger durften sich über doppelstellige Wertsteigerungen freuen. Der SMI legte im letzten Jahr 23% zu und der S&P 500 gar stolze 31%. Die grosse Ausnahme waren Schwellenländer-Titel: So verlor der MSCI Emerging Markets Index 4.25% an Wert. Tiefere Impfraten, höhere Zinsen und Chinas Immobilienkrise waren die treibenden Kräfte dahinter.
Auch beinahe zwei Jahre nach dem Beginn der Pandemie dominieren Anfang 2022 noch die weltweit steigenden Corona-Fallzahlen die Schlagzeilen. Die aktuelle Omikron-Variante dürfte die Wirtschaftsaktivität kurzfristig bremsen. Aber dank Erfahrungswerten und dem Impffortschritt können Regierungen besonders in Industriestaaten gezieltere Corona-Massnahmen implementieren, wie z.B. Zutritt anhand Impfstatus anstatt Schliessungen oder kürzere Quarantänedauer.
Wir gehen daher für das Jahr 2022 nach wie vor von einer sehr robusten Weltwirtschaftsentwicklung aus. In den meisten Regionen dürfte das Wachstum über dem Durchschnitt der letzten Jahre liegen. Lediglich in China gehen wir aufgrund der politischen Lage von einer weiteren Verlangsamung aus.
- Im März 2022 sollen die Kaufprogramme der US-Notenbank, der EZB und der japanischen Zentralbank beendet werden. Bei den beiden letztgenannten handelt es sich um die während der Pandemie eingeführten Notfallkaufprogramme. Beide Notenbanken kauften bereits vor der Pandemie monatlich Wertpapiere ein. Diese Käufe werden nicht eingestellt.
- Im Euroraum und in Japan ist daher noch keine Zinswende in Sicht für 2022. Auch in der Schweiz ist von einer unverändert expansiven Geldpolitik auszugehen. In China ist währenddessen angesichts der Wachstumseintrübung mit einer weiteren leichten Lockerung zu rechnen. In den USA hingegen, wo der Inflationsdruck am ausgeprägtsten ist, sind bis zu drei Zinserhöhungen zu erwarten. Die Normalisierung der Zinspolitik schreitet somit unterschiedlich schnell voran.
Quelle: Asset Management, Bloomberg Finance L.P. per 4.01.22
- In unserem Basisszenario gehen wir von einer positiven Wirtschafts- und Ertragsdynamik aus. Das Wirtschaftswachstum wird auch in diesem Jahr in den meisten Regionen über dem Durchschnitt der letzten Jahre liegen.
- Der grosse Spielverderber 2022 könnte China sein. Bisher war in China die Immobilienentwicklung der Hauptkonjunkturtreiber, was in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Die hohen Leerstände können einen Verkaufsdruck auf bestehende Immobilien auslösen. Eine drastische Wachstumsverlangsamung Chinas könnte nicht nur das globale Wachstum schwächen, sondern kann auch erheblich die Stimmung an den Kapitalmärkten beeinflussen.
- Während Corona zwar ein Thema bleibt, dürfte der globale Anstieg der Inflationsraten die Hauptsorge sein. Ein starker Anstieg der Inflationserwartungen würde die Notenbanken unter Handlungsdruck bringen. Entscheidend ist, dass die Geldpolitik für 2022 insgesamt weiterhin expansiv bleibt, der Geldhahn der Zentralbanken aber allmählich zugedreht wird. Der Support für die Aktienmärkte schwächt sich ab, und weil die Zinspolitik der Notenbanken nicht mehr synchron verlaufen wird, ergeben sich regional unterschiedliche Auswirkungen auf die Renditen an den Anleihe- und Aktienmärkten sowie auf das Wirtschaftswachstum.
- Das neue Börsenjahr wird somit ganz im Zeichen der Zinsen stehen. Zwingt die Inflation die US-Zentralbank zu stärkeren Zinserhöhungen, wird es höchstwahrscheinlich ein schlechtes Börsenjahr. Sollten die Zinsen stark steigen, wird sich dies konjunkturell durch eine Abschwächung des Konsums und der Investitionen massiv negativ auswirken. An den Aktienmärkten kommt dann auch zum Tragen, dass die Bewertungen historisch hoch sind und die Überinvestition der Anleger in Aktien historische Extreme erreicht hat.
- Geringfügig höhere Zinsen und eine leichte Abschwächung des Gewinnwachstums bei Unternehmen wird der Kapitalmarkt verkraften. Dies ist in den Märkten bereits eingepreist.
- Bleiben die Zinsen tief, gibt es in der Tat keine Anlagealternative zu Aktien. Die anhaltende wirtschaftliche Erholung und die Umstellung der Lieferketten dürften den Aktienanlegern noch Rückenwind geben. Auf der Aktienseite würden Unternehmen mit geringerem Fremdkapitalanteil, mit starker Preissetzungsmacht und innovativen Produktlinien besser abschneiden.
- Es ist aber eine schmale Gratwanderung. Die Risiken sind hoch und greifbar nahe. Vieles ist möglich! Der wohl entscheidende Faktor für die Börsenentwicklung wird die Inflationserwartung sein. Erhöhte Inflationsraten, Reduktion der Anleihekäufe und steigende Zinsen sprechen für ein anspruchsvolleres Jahr als 2021. Eine mögliche Fehleinschätzung der Notenbanken oder eine unerwartet starke Entschleunigung Chinas sind weitere potentielle Risiken.
- In diesem volatilen Umfeld ist gutes Drawdown-Management ausschlaggebend, Portfolio-Absicherungen sind zwingend zu prüfen.
- In unserem Basisszenario für 2022 gehen wir davon aus, dass globale Aktien im mittleren einstelligen Prozentbereich zulegen werden. Die Unternehmensgewinne und die netto leicht positive Liquiditätsbilanz der Zentralbanken bekräftigen die Aktienmarktentwicklung. Wir bevorzugen Schweizer Aktien vor US-Aktien, Small Caps vor Big Caps und Value vor Growth-Aktien.
- In Anbetracht der historisch tiefen Realrenditen sind Obligationen im Vergleich zu anderen Anlageklassen weiter unattraktiv. Staatsanleihen dürften 2022 negative Erträge verzeichnen. Auch bei Unternehmensanleihen ist dies nicht der richtige Zeitpunkt für übermässige Risikobereitschaft, da die Spreads eng sind und sich voraussichtlich moderat ausweiten werden. Aber nicht alle Unternehmensanleihen sind unattraktiv: EUR-Anleihen bieten attraktivere Risikoprämien als USD-Investitionen. EM Bonds können nicht nur wegen den weitaus höheren Realrenditen eine positive Entwicklung zeigen. Insbesondere EM-Unternehmensanleihen in Hartwährung können besser abschneiden, da sie betreffend Wachstum und Erträgen die Industrieländer nach der Erholung von der Pandemie voraussichtlich einholen werden.
- Bei Schweizer Immobilienanlagen rechnen wir mit positiven Renditen, da ihnen die historisch niedrigen Zinsen und die anhaltende Konjunkturerholung zugute kommen. Hierbei ist die Selektion sicherlich mitentscheidend. Wegen der vor allem im Wohnsektor und im Large Cap Bereich hohen Bewertungen und hohen Zinssensitivität von Immobilienfonds bevorzugen wir Immobilienaktien bzw. Anlagestiftungen.
- Der Anlagenotstand im festverzinslichen Bereich und die immer tieferen Renditeerwartungen bei Aktien lassen alternative Anlagen stetig an Bedeutung gewinnen. Es gibt wegen der tieferen Liquidität im Vergleich zu anderen Anlageklassen attraktive Renditequellen. Im aktuellen Umfeld bieten Senior Secured Loans im Vergleich zu High Yield Bonds eine attraktivere Verzinsung. Auch Wandelanleihen, Equity-Infrastrukturanlagen, Cat Bonds und Gold erachten wir insbesondere aus strategischer Perspektive weiterhin als attraktive Segmente.
Melanie Rama
Senior Economist Asset Management
Daniel Kuenzi
Head Portfolio Management Multi Assets Asset Management
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